Das Ende der Käfighaltung

11. August 2017 | Zertifizierung: Aus Robotern werden Mitarbeiter

Aus Robotern werden Mitarbeiter. Sie bewegen sich durch lange Industriehallen, bauen Autos und Maschinen und das 24 Stunden lang – Industrieroboter der Zukunft. Zahlreiche Forscher arbeiten weltweit an der Idee, Industrieroboter „aus dem Käfig zu lassen“. Denn dort befinden sie sich – fachlich gesehen derzeit noch: innerhalb einer Eingrenzung, einer festgelegten Einsatzzone, umgeben von schützenden Gittern. Auch, wenn es wohl noch Jahre dauern wird, bis Mensch und Roboter auf Augenhöhe zusammenarbeiten, halten schon jetzt kollaborierende Roboter Einzug in die Fertigung.

Roboter assistieren dem Menschen schon seit geraumer Zeit in vielen industriellen Bereichen, vor allem aber rund um die Serienfertigung von Produkten. Diese sogenannten „nicht kollaborierenden Roboter“ sind in erster Linie Industrie-Roboter, die in einem eigenen Bereich arbeiten, klar getrennt durch Gitter und nicht für die direkte Zusammenarbeit mit dem Menschen ausgelegt. Inzwischen werden Roboter auch ohne Käfig neben dem Menschen eingesetzt und können so noch effektiver mit ihnen zusammenarbeiten. Diese kollaborierenden Roboter können Montagearbeiten übernehmen, aber auch schwere oder ausladende Bauteile heben, drehen oder halten, um deren Last von den Arbeitern zu nehmen.

Der mögliche Verzicht auf bauliche Schutzeinrichtungen wie Lichtgitter, Käfige oder Barrieren spart Kosten und sorgt für optimierte Arbeitsabläufe zwischen Arbeiter und Roboter. Diese Art von Industrie-Robotern findet vor allem in der Herstellung von Geräten und anderen Gütern oder im Transportwesen Anwendung. Führend ist auch die Automobilindustrie. „Die bekanntesten Vertreter sind sicherlich die Bestückungsroboter. Industrie-Roboter übernehmen mittlerweile aber auch kleine, filigrane Tätigkeiten, zum Beispiel in der Handyfertigung, in Verpackungsapplikationen und in der Maschinenfertigung“, sagt Wanjing Su, Sachverständige im Bereich Funktionale Sicherheit bei TÜV NORD CERT.

Neue Herausforderungen für die Sicherheit

Wenn Roboter nicht mehr in Käfigen gehalten werden, sondern sich mehr oder weniger frei zwischen den Menschen bewegen, muss die Sicherheit bei ihrer Entwicklung und Herstellung im Vordergrund stehen. Die entsprechende Sicherheitstechnik wird dazu heute ins Innere des Roboters verlagert. Beim Design und der Konfigurierung von kollaborierenden Robotern kommt es auf folgende Punkte an:

 

  • Vorhandensein eines Sicherheitskonzeptes
  • Entwicklung des Roboters auf fehlersicheres Verhalten
  • Klare Abgrenzung der Arbeitsbereichs, der vom Roboter erkannt wird und dem Bereich entspricht, der früher durch das physische Gitter eingegrenzt wurde
  • Gewährleistung der Stopp-Funktion an den Grenzen des Arbeitsbereichs
  • Definition sämtlicher Limits der überwachten Parameter (z.B. Krafteinsatz, Energie, Geschwindigkeit, Momente)

Von der Kollaboration zur Eigenständigkeit

Die Zukunft der Robotik liegt im sogenannten lernenden Roboter. „Diese Maschinen lernen wie Menschen durch Beobachten und Nachahmung, Versuch und Irrtum. Fehler machen ist ihnen erlaubt; allerdings entstehen dadurch natürlich ganz neue Gefahrenquellen“, sagt Su. Noch befänden sie sich in der Forschungsphase, ein flächendeckender, praktischer Einsatz findet nicht statt.

Aber hinter den Kulissen tut sich einiges: Lernende Roboter besitzen ein riesiges Zukunftspotenzial, obwohl es derzeit keine verbindliche Normen zur Prüfung der Sicherheit dieser Roboter gibt. Dennoch können sie geprüft werden:

Unter der Voraussetzung, dass bei lernenden Robotern die jeweilige Lernfähigkeit lediglich unter Einhaltung klarer Grenzen zugelassen wird (z.B. Arbeitsbereich, Krafteinsatz, Energie, Geschwindigkeit, Momente), „die Lernfunktion faktisch im Käfig stattfindet, können entsprechende Prüfkriterien angewandt werden“, sagt Wanjing Su.

Dies gilt jedoch nicht für einen zweiten Fall, den Frau Su schildert. Hier lernt der Roboter selbst, wo seine Grenzen sind, z.B. Arbeitsbereich, aber auch Geschwindigkeit, Krafteinsatz, etc. In diesem Fall wird die Lernfunktion sicherheitsrelevant und kann für den Menschen gefährlich werden. Dieses Konzept kann derzeit nicht für Roboter im kollaborierenden Einsatz verfolgt werden.

Der aktuelle Normungshintergrund

Seit 2011 werden herkömmliche Roboter nach ISO 10218 geprüft: Die ISO 10218-1 adressiert Hersteller, die ISO 10218-2 richtet sich an Integratoren, also unter Verwendung zugekaufter Maschinen und Geräte neue Systeme etablieren bzw. in bestehende Architekturen implementieren. Hierbei erlangt die IT-Landschaft der Applikation, zusätzlich zu bestehenden normativen Anforderungen, unter dem Schlagwort Industrie 4.0 eine besondere Rolle, z.B. bei der Parametrierung und Fernwartung von Robotern.

Die Entwicklung von Robotern, die direkt mit dem Menschen zusammenarbeiten, stellt neue Anforderungen an die funktionale Sicherheit, sowie an die Entwicklung von Steuerungskonzepten.

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