Der Cocktail für den Kick

Mobilität: Wenn ein Sportwagen kräftig beschleunigt, erleben viele Fahrer einen Geschwindigkeitsrausch. Dafür sorgt ein besonderes Hormongemisch. TÜV NORD-Mediziner und -Psychologen erläutern die Einzelheiten.

Wenn ein Sportwagen kräftig beschleunigt, erleben viele Fahrer einen Geschwindigkeitsrausch. Dafür sorgt ein besonderes Hormongemisch. TÜV NORD-Mediziner und -Psychologen erläutern die Einzelheiten.

Der Puls rast. Das Herz pocht. Das Stresshormon Adrenalin jagt durch den Körper und mobilisiert alle Reserven. Um auf Verletzungen vorbereitet zu sein, setzt das Gehirn zusätzlich Glückshormone frei, so genannte Endorphine, ein körpereigenes Schmerzmittel. Aufregung gepaart mit Wohlgefühl: So fühlt sich jener Kick an, den viele Menschen empfinden, wenn sie mit 200 Stundenkilometern über die Autobahn brettern.

Besonders gern drücken Geschäftsmänner und junge Kerle aufs Gas. Aber nicht jeder empfindet diese Art von Nervenkitzel als angenehm. Vor allem Geschlecht und Alter beeinflussen, wie schnell wir fahren, zeigte kürzlich ein Experiment israelischer Verkehrsforscher im Fahrsimulator.

Dass wir Geschwindigkeit überhaupt wahrnehmen, verdanken wir den Sensoren in unseren Sinnesorganen. Bewegen wir uns auf den eigenen Beinen vorwärts, melden Muskeln und Gelenke ihre Aktivität an das Gehirn. Dazu kommt Input aus dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr, und die Augen erfassen, wie schnell die Umwelt vorbeizieht. So kommt es zuweilen zu Fehlschlüssen: Sitzen wir in einem stehenden Zug, während die Bahn auf dem Nachbargleis losfährt, entsteht fälschlich der Eindruck, dass der eigene Zug in Bewegung ist.

Die "Speed-Zellen" im Gehirn-Tacho

Unsere Geschwindigkeitszentrale sitzt jedoch tief unten im Inneren des Gehirns, im entorhinalen Cortex. Dort entsteht auch eine innere Landkarte der Umgebung: Spezialisierte Zellen registrieren, wo wir gerade sind und wohin wir uns bewegen. Für diese Erkenntnis erhielten das norwegische Forscherpaar May-Britt und Edvard Moser sowie ihr US-Kollege John O’Keefe 2014 den Medizin-Nobelpreis. Kurz darauf entdeckten sie in derselben Hirnregion auch so genannte Speed-Zellen ¬– Neurone, die immer dann feuern wenn der Körper Fahrt aufnimmt. Sie bilden den Tacho im Navigationssystem des Gehirns.

Eine starke Beschleunigung verschafft vor allem Männern am Steuer Hochgefühle, während die damit assoziierte Gefahr eher ihren Beifahrerinnen den Schweiß auf die Stirn treibt. "Männer neigen eher dazu, sich intensiven Reizen auszusetzen und Risiken einzugehen", sagt der Psychologe Dr. Ralf Buchstaller von TÜV NORD. "Man spricht dabei von Sensation-seeking: der Suche nach Stimulation, nach Abwechslung und Abenteuern."

Ein Hormon für die Porsche-Leidenschaft

Noch dazu fahren Männer auch häufiger Autos mit den nötigen PS. Hier gesellt sich dem Adrenalin-Endorphin-Mix ein weiteres Hormon hinzu, wie Wissenschaftler von der Concordia University im kanadischen Montreal demonstrierten. Männliche Freiwillige für dieses Experiment zu finden, dürfte denkbar einfach gewesen sein: Die Aufgabe der Probanden lautete, einen 150.000 Dollar teuren Porsche Carrera Cabriolet spazieren zu fahren. Die Verhaltensforscher wollten so untersuchen, ob sich die Tour im Sportwagen auch im männlichen Testosteronspiegel niederschlagen würde.

Genau das geschah – unabhängig davon, ob sie dabei gesehen wurden! Es genügte den Probanden offenbar zu wissen, dass sie gerade das Steuer eines Statussymbols in den Händen hielten. Am Autofahren allein lag es nicht, denn kurvten die Männer in einem alten Toyota herum, blieb ihr Testosteronspiegel konstant.

"Wenn jemand ein Vermögen für einen schnellen Sportwagen ausgibt, steckt dahinter oft genug das hormonelle Erbe unserer Spezies", erklärt Dr. Buchstaller von TÜV NORD. In der Wildnis könnten diese Hormone durchaus das Überleben erleichtern. Doch im Berufsverkehr nützten sie wenig, so der Psychologe: "Da fahren wir mit 200 Stundenkilometer auf ein Stauende auf."

 

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