Ein Herz für Oldtimer

25. April 2023 | Mobilität: Die Gutachter Lorenz Niemeyer und Matthias Wertz von TÜV NORD stehen Rede und Antwort zum Thema Oldtimer.

Bei Matthias Wertz und Lorenz Niemeyer passen Beruf und Leidenschaft zusammen: Sie sind Kfz-Gutachter bei TÜV NORD – und Oldtimer-Liebhaber. Beide fahren privat Volkswagen aus den 60er Jahren. Die Oldtimer-Experten empfehlen aber auch andere Marken.

Als Lorenz Niemeyer 1983 einen rostigen alten VW Käfer kaufte, war er noch Student. Inzwischen arbeitet er seit mehr als 30 Jahren als Kfz-Sachverständiger für den TÜV NORD in Hamburg. Den Käfer hat er immer noch. Das Auto, Erstzulassung 1969, ist schon lange ein Oldtimer. Dreimal habe er ihn vollständig zerlegt und wieder zusammengebaut, erzählt der studierte Fahrzeugbauingenieur. »Ich kenne jede Schraube persönlich.«

Mit 30 Jahren gilt ein Auto landläufig als Oldtimer. Doch das begehrte H-Kennzeichen bekommen nur Fahrzeuge, die im guten Zustand und original oder originalgetreu erhalten sind. Wie genau historische Automobile zu reparieren und zu restaurieren sind, definiert die „Charta von Turin“ des Oldtimer-Weltverbandes FIVA (Fédération Internationale Véhicules Anciens). Den Leitlinien zufolge gibt es den Oldtimer-Status außerdem nur für bewahrenswertes Kulturgut.

In der Praxis zählt auch der Seltenheitswert, sagt der Sachverständige Niemeyer, der für den TÜV NORD auch Oldtimer begutachtet. „Zum Beispiel ist ein Goggo-Mobil aus den 50er Jahren so exotisch, dass man beim Zustand Abstriche machen kann.“ Ein VW Käfer müsse dagegen schon sehr gut erhalten sein, um ein Historienkennzeichen zu erhalten, denn er zählt zu den häufigsten Oldtimern auf deutschen Straßen. Nicht nur, weil es einst so viele von ihnen gab, sagt er. „Sie haben sich auch als recht robust erwiesen.“

Aus der Nachkriegszeit sind jedoch mehr Porsche als Käfer erhalten, wenn man ihre heutige Zahl zu den hergestellten Stückzahlen ins Verhältnis setzt, wie Niemeyer erklärt. Der Grund: Da Porsche teuer waren, standen sie von Beginn an in der Garage und wurden gut gepflegt. Aus dem gleichen Grund hätten auch viele Rolls Royce der 20er und 30er Jahre überlebt: „Wer sich einen leisten konnte, hatte auch genug Geld, um für ihn zu sorgen.“ Und eine „gewisse Solidität“ sei auch ihnen nicht abzusprechen.

Porsche und Rolls Royce zählen allerdings auch heute noch zur oberen Preisklasse. Wer einen soliden, preiswerten und alltagstauglichen Oldtimer sucht, sollte sich bei anderen Marken umschauen, sagt Matthias Wertz, Kfz-Sachverständiger bei TÜV NORD in Kiel. Wie sein Hamburger Kollege liebt er alte Volkswagen: Er hat zwei VW-Busse, aus den Jahren 1966 und 1990. Zum Einstieg empfiehlt der Maschinenbauingenieur auch den VW Golf 2 und den Mercedes 190, der Haltbarkeit wegen. Gut und günstig außerdem: Toyota Corolla oder Mitsubishi aus den 80er Jahren.

Niemeyer spricht sich ebenfalls für Mercedes aus – „wegen Motor und Getriebe“ – und für zwei Japaner aus den 80ern: Toyota und Honda. Mit einer großen Wertsteigerung sei bei ihnen zwar nicht zu rechnen. „Aber sie gelten als besonders solide. Da funktioniert der Heckscheibenwischer auch noch nach 30 Jahren.“

Überhaupt würden Oldtimer eher selten durch den TÜV fallen, berichtet Niemeyer. „Oft sind sie gepflegter als zehn Jahre alte Gebrauchsfahrzeuge, weil sich ihre Besitzer sehr gut um sie kümmern.“ Und wenn sie durchfallen, liege es selten an Rost – weil die Fahrzeuge schon so oft restauriert wurden. Der Kieler Kfz-Gutachter Wertz stimmt zu. „Oldtimer haben nicht besonders viele Mängel.“ Ein kritischer Punkt allerdings: unzulässige Umbauten.

Kritisch ist auch das Thema Klimafreundlichkeit. Sind Oldtimer überhaupt noch zeitgemäß? „Sie erfüllen zwar nicht die neueste Schadstoffnorm. Aber sie werden ja nicht neu gebaut, es gibt sie schon. Und sechs Liter Verbrauch auf 100 Kilometer schaffen viele neue Autos nicht“, gibt Wertz zu bedenken. Problematisch sei eher der Flächenverbrauch: Oldtimer benötigen – meist zusätzlich zu einem anderen Fahrzeug – Platz in der Garage.

Einige stehen sogar fast nur in der Garage, bedauert Oldtimer-Liebhaber Niemeyer. „Die sind in fünf Jahren nur 300 Kilometer gefahren – das tut ihnen nicht gut. Dann kann man sie doch auch in ein Museum stellen, da können sich wenigstens noch andere dran erfreuen.“

Die historischen Automobile dienen oft als Geldanlage. Doch die meisten Oldtimer-Liebhaber treibe etwas anderes an, hat Wertz beobachtet: die Leidenschaft für alte Technik. „Ein Oldtimer riecht nach den Materialen selbst, nicht nach künstlichen Duftstoffen.“ Die Schönheit der alten Klassiker könne man aber nicht an Details festmachen. Der Charme liege im Gesamtkunstwerk, sagt Maschinenbauingenieur. Deshalb findet er den eckigen Lancia Delta ebenso schön wie den runden Ferrari Dino.

Für manche liegt der Zauber auch in den Erinnerungen. Ein Oldtimer ist nicht nur ein Stück Kulturgeschichte, er hält auch die eigene Vergangenheit lebendig. Der Käfer aus Studientagen hat Lorenz Niemeyer durch das gesamte Leben begleitet. „Er ist wie ein Familienmitglied, das manchmal nervt – aber man liebt es doch.“

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