Gibt es typische Männer- und Frauenautos?

12. April 2018 | Mobilität: Am Steuer einer schweren Limousine sitzt meist ein Mann, im handlichen Kleinwagen eher eine Frau. Stimmt’s?

Am Steuer einer schweren Limousine sitzt meist ein Mann, im handlichen Kleinwagen eher eine Frau. Stimmt’s?

Statistiken bestätigen dieses Klischee. Die Fahrzeughalter der Mercedes S-Klasse sind zu 88 Prozent Männer, und fast ebenso hoch ist der Männeranteil auch im Jeep Grand Cherokee und im 7er BMW. Den höchsten Anteil an Frauen hingegen verzeichnen Ford Ka, Opel Adam und Chevrolet Matiz. Diese Ranglisten veröffentlichte das Tarifvergleichsportal Verivox 2017, nachdem es Daten privater Versicherungsneukunden und -kundinnen für die 200 häufigsten Pkw-Modelle ausgewertet hatte.

»Mann fährt Oberklasse, Frau einen Kleinwagen«, fasst die Diplompsychologin Cornelia Nagel von TÜV NORD zusammen, »aber nicht unbedingt aus freien Stücken.« Der Trend zum kleinen (Zweit-)Wagen für die Frau könnte der Rollenverteilung in Partnerschaften geschuldet sein oder schlicht an unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten liegen.

Tatsächlich klaffen Wunsch und Wirklichkeit oft auseinander, zeigte eine Allensbach-Umfrage unter mehr als 6500 Deutschen im Jahr 2000. Eine Vorliebe für Volkswagen bekundeten 38 Prozent der Befragten, und mehr als jeder zweite von ihnen fuhr auch einen. Bei teureren Marken sah es schon anders aus: 27 Prozent würden am liebsten einen Audi fahren, aber nur für knapp jeden vierten erfüllte sich dieser Wunsch.

An der deutschen Vorliebe für Volkswagen änderte auch die Abgas-Affäre 2015 nichts. Männer wie Frauen ab 14 Jahren wollten am ehesten einen VW kaufen, zitiert das Onlineportal Statista aus den Zahlen der Verbrauchs- und Medienanalyse 2016. Bei den Männern folgten Audi und BMW, bei den Frauen stand jedoch Opel noch vor Audi auf Platz 2.

Die Frage nach typisch weiblichen oder männlichen Autos lässt sich nicht nur anhand von FahrzeughalterInnen und der Beliebtheit von Marken beantworten. »Je nach ihren äußeren Merkmalen sprechen wir Autos auch geschlechtstypische Eigenschaften zu«, sagt die Psychologin Cornelia Nagel. Ein aggressives, dominantes oder robustes Erscheinungsbild etwa werde gemeinhin mit Männlichkeit assoziiert und eine süße, graziöse Anmutung mit Weiblichkeit.

Am eindeutigsten »männlich« erscheinen Porsche, BMW und Audi, wie ein Team um Theo Lieven und Miriam van Tilburg von der Universität in St. Gallen feststellte. Sie hatten mehr als 3000 zufällig ausgewählte deutsche Konsumenten und Konsumentinnen über 140 Markenprodukte urteilen lassen. Unter den elf vertretenen Automarken bewerteten die Versuchspersonen Citroën, Peugeot und Mini als vergleichsweise wenig männlich – letztere beiden bekamen aber immer noch mehr maskuline als feminine Attribute zugesprochen. Nur Citroën wirkte unterm Strich geschlechtsneutral. Das dürfte die Marke dem beliebten Modell 2CV, besser bekannt unter dem Namen »Ente«, zu verdanken haben. Vermutlich waren es dessen runde Formen sowie das grammatikalische Geschlecht des Spitznamens, die dem typischerweise männlichen Image von Automarken eine feminine Note hinzugefügt haben.

Ein Handicap für die Marke – das legen jedenfalls die Daten der Schweizer Forscher nahe. Denn wie die Urteile der Befragten über 140 Marken zeigen, kommen in einer »männlichen« Produktkategorie (wie Automobile) maskuline Marken besser an, und umgekehrt gilt dasselbe offenbar für weibliche Marken in weiblichen Produktkategorien wie Kosmetika. Am ungünstigsten ist es demnach, wenn eine Marke weder besonders männlich noch besonders weiblich erscheint. Ein klares Image erleichtert es, eine Marke einzuordnen und zu bewerten.

Australische Wissenschaftler haben zwar herausgefunden, dass eine Marke auch dann positiver beurteilt wird, wenn ihr Image zum eigenen – femininen, maskulinen oder androgynen – Selbstkonzept passt. Trotzdem halten auch sie ein männliches Image im Zweifelsfall für die sicherste Markenstrategie. Der Grund sei unter anderem, dass Frauen eher männliche Marken tolerierten als Männer weibliche Marken.

Befunde von Theo Lieven und Christian Hildebrand lassen vermuten, dass in anderen Teilen der Welt weniger maskuline Markenvorlieben herrschen als hier zu Lande. Bei einer Studie auf vier Kontinenten zeigten sie zum einen, dass feminine Marken in kollektivistischen Kulturen besser ankommen. Zum anderen schnitten androgyne Marken auf dem internationalen Parkett besser ab als jene mit einseitig männlichem oder weiblichem Image. Für die Psychologin Cornelia Nagel vom TÜV NORD ein Grund zur Hoffnung – »auf ein Comeback der Ente«.

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