Auch beim Autofahren können viele nicht die Finger vom Smartphone lassen. Das ist nicht nur verboten, sondern auch gefährlich. Denn das Tippen auf dem Handy legt unseren inneren Autopiloten lahm.
Wir sind mit den Gedanken noch im Büro, wir streiten mit dem Beifahrer oder singen lauthals ein Lied mit: Beim Autofahren driftet die Aufmerksamkeit öfters weg von der Straße. Trotzdem navigieren wir in der Regel unfallfrei von A nach B.
"Die Gedanken können abschweifen, die Emotionen hochkochen, aber unser innerer Autopilot, eine Art sechster Sinn hält uns auf Kurs", berichtet Ioannis Pavlidis vom Labor für computergestützte Physiologie der Universität in Houston, Texas. Diesen neuronalen Autopiloten können wir aber außer Gefecht setzen, wie Pavlidis gemeinsam mit Kollegen in einem Experiment demonstrierte.
Der Informatikprofessor wollte herausfinden, welche Form von Ablenkung am Steuer am gefährlichsten ist. Dazu setzte er 59 Freiwillige - junge Erwachsene und Senioren - in einen Fahrsimulator. Zunächst fuhren sie acht Kilometer auf einer zweispurigen Autobahn, um sich an den Simulator zu gewöhnen, und weitere 11 Kilometer zur Entspannung. Während der folgenden Fahrten lenkte er die Probanden am Steuer mit verschiedenen Aufgaben ab.
Verblüffender Weise hielten die Probanden das Steuer bei rein gedanklicher Ablenkung sogar besser auf Kurs als ohne Ablenkung: Kaum kamen sie nur ein wenig von der Spur ab, korrigierten sie die Richtung unbewusst sofort wieder. Dieser Automatismus, den Pavlidis als "sechsten Sinn" bezeichnet, setzte jedoch nur dann ein, wenn sie Rechenaufgaben lösen oder emotional aufwühlende Fragen beantworten sollten. Schrieben sie hingegen eine Nachricht am Handy, gerieten sie teils gefährlich ins Schlingern.
Ist das Gehirn mit anderen Dingen beschäftigt, hält unser innerer Autopilot das Steuer um so fester auf Kurs. Das Tippen auf dem Handy blockiert den Korrekturmechanismus, indem es die automatische Feedbackschleife zwischen Händen und Augen unterbricht, erläutert Pavlidis. Die entscheidende Schaltstelle vermutet er im anterioren zingulären Cortex, einem Teil der Hirnrinde, der unter anderem dann aktiv wird, wenn es Fehler in Millisekunden zu korrigieren gilt: "Das Tippen auf dem Handy legt unseren Schutzmechanismus lahm, den anterioren zingulären Cortex."
Der promovierte Psychologe Ralf Buchstaller vom TÜV NORD weiß um die gefährlichen Schlenker / warnt vor der zunehmenden Gefahr: "Verkehrspsychologen haben beobachtet, dass rund jeder zwanzigste Autofahrer in Braunschweig, Hannover und Berlin auf seinem Smartphone tippt." Das geschehe fast ebenso oft während der Fahrt wie an der Ampel, ergab eine Studie mit fast 12 000 Autofahrern in den genannten Städten. In Hannover hantierte sogar fast jeder zehnte Autofahrer an seinem Handy herum, beobachteten die Forscher um Mark Vollrath, Professor für Verkehrspsychologie an der TU Braunschweig (siehe Grafik).
Der internationale Vergleich zeigt: Vor allem deutsche Autofahrer können ihrer Finger nicht vom Handy lassen - obwohl es verboten ist, während des Fahrens ein Telefon oder Smartphone zu nutzen, wenn man es dafür in die Hand nehmen muss. Doch auch starke geistige oder emotionale Belastungen bergen Risiken, warnt Pavlidis, etwa wenn mehrere Ablenkungen zusammenkommen. Dr. Buchstaller vom TÜV NORD sieht das ebenso: "Ich empfehle dringend, während der Fahrt keine Probleme zu wälzen oder mit dem Beifahrer zu streiten!"
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