Hitze bringt die Emotionen zum Kochen

Mobilität: Die erste bundesweite Hitzewelle des Jahres liegt hinter uns, doch bereits am Wochenende klettern die Temperaturen vielerorten wieder über die Marke von 30 Grad. Die hohen Temperaturen können dabei den Körper belasten – und an die Nerven gehen.

„Hitze kann lebensgefährlich sein“, warnt Dennis Dal Mas vom Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV NORD in Bielefeld. Besonders gefährdet sind Menschen mit Herzkreislauf-Erkrankungen, aber auch Säuglinge und ältere Menschen: Sie trocknen an heißen Tagen schnell aus, wenn sie zu wenig trinken. Laut dem Statistischen Bundesamt wurden 2020 in Deutschland mehr als 100.000 Menschen wegen Flüssigkeitsmangel im Krankenhaus behandelt, und mehr als 3000 starben. Die Zahl hat sich seit dem Jahr 2000 verachtfacht.

Bei extremer Hitze gibt es auch mehr tödliche Verkehrsunfälle. Daten von US-Verkehrsbehörden zeigen: Wenn eine Hitzewelle mindestens zwei Tage andauert, steigt die Zahl der Verkehrstoten im Mittel um rund drei Prozent und unter älteren Fahrerinnen und Fahrern sogar um acht Prozent.

Höheres Unfallrisiko bei Hitze

Das erhöhte Unfallrisiko kann zum einen mit körperlicher Erschöpfung und verminderter Leistungsfähigkeit zusammenhängen – zum anderen mit einem aggressiveren Verhalten im Straßenverkehr. Darauf deutete bereits in den 1980er-Jahren ein einfacher Versuch im US-Bundesstaat Arizona hin: Blieb ein Auto an einer roten Ampel beim Wechsel auf Grün weiter stehen, hupten die anderen Wartenden an heißen Sommertagen häufiger als bei gemäßigten Temperaturen. Besonders groß war der Unterschied, wenn man nur Autos mit offenem Fenster zählte – also solche, die wahrscheinlich keine Klimaanlage hatten.

Überhaupt lebt es sich bei Hitze gefährlicher. Der Aggressionsforscher Craig Anderson hat berechnet, dass in den USA an heißen Sommertagen mehr Morde und andere Gewaltverbrechen verübt werden als bei kühlerem Wetter. In US-Gefängnissen ließen sich jedes Jahr allein 4000 Fälle von Gewalt auf Hitze zurückführen. Der Ökonom Solomon Hsiang von der Princeton University schloss aus historischen Daten, dass auch Konflikte zwischen Gruppen mit dem Klima zusammenhängen. Er prognostiziert, dass solche Konflikte zunehmen, wenn sich die Welt weiter erwärmt.

Im Sommer Vorsorge treffen

Aber warum kommt es bei hohen Temperaturen häufiger zu Aggressionen? Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. „Eine anhaltend starke Hitze ist Stress für den Körper, auch für das Gehirn. Deshalb fühlen wir uns unwohl, sind genervt“, erläutert Dennis Dal Mas von TÜV NORD. „Kommt uns in dem Moment jemand in die Quere, kann es leicht passieren, dass wir unser Unwohlsein auf das Verhalten der Person zurückführen."

Dazu komme, dass wir bei Hitze, besonders bei Flüssigkeitsmangel, schlechter denken können und eine Situation eher falsch interpretieren. Nicht zuletzt leide die Impulskontrolle: „Es fällt uns deutlich schwerer als sonst, cool zu bleiben.“

Natürlich werde ein friedfertiger Mensch nicht allein deshalb gewalttätig, weil es 35 Grad im Schatten hat, stellt der promovierte Psychologe klar. „Aber wenn ein impulsiver Mensch ohnehin unter starkem Druck steht, vielleicht weil er seinen Job verloren hat oder die Ehe kriselt, dann können extreme Temperaturen der Funke sein, an dem sich Gewalt entzündet.“

Was kann man also tun, wenn die Hitze an den Nerven zehrt? „Immer wieder für Abkühlung sorgen, nachts lüften und morgens spazieren gehen, wenn die Luft noch frisch ist“, empfiehlt Dennis Dal Mas von TÜV NORD. Außerdem: viel Wasser trinken, den Kopf bedecken oder die Sonne meiden, vor allem am frühen Nachmittag. „Und wenn doch mal die Emotionen hochkochen: kalt duschen – oder zumindest Gesicht und Arme kalt abspülen. Das kühlt auch das Gemüt.“

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