Innovatives Prüfverfahren für Kraftwerke: Forschungsprojekt THERRI abgeschlossen

02. Mai 2017 | Industrie: Das Verbundforschungsprojekt THERRI – Thermisches Ermüdungsrisswachstum – wurde erfolgreich abgeschlossen.

Hamburg: Das Verbundforschungsprojekt THERRI – Thermisches Ermüdungsrisswachstum – wurde erfolgreich abgeschlossen. Mit dem Ziel, ein optimiertes Prüfverfahren für Wärmekraftwerke im Wechsel-lastbetrieb zu entwickeln, startete TÜV NORD 2013 gemeinsam mit der Universität Rostock, dem Forschungszentrum Jülich und dem KNG Kraftwerk Rostock das Projekt. Durch THERRI kann jetzt die Restlebensdauer von Anlagen besser und genauer berechnet werden, die wiederholt an- und abgefahren werden. Axel Schulz, Diplomingenieur und Projektleiter bei TÜV NORD, und Detlef Rieck, Fachreferent für Bauteilintegrität bei ENCOS, einer Tochter der TÜV NORD GROUP, koordinierten das Gesamtprojekt und stellen nun die Ergebnisse und deren Praxisrelevanz vor.

Es ist ein einfaches Prinzip: Biegt man eine Büroklammer immer wieder hin und her, so bricht sie irgendwann. Durch die Belastung ermüdet das Material. Das gleiche geschieht in größerem Maßstab durch zyklische Wärmebelastung in Kraftwerken und erfordert daher eine sachgemäße Prüfung. Das bisher übliche Prüfverfahren für Kraftwerke ist allerdings auf einen Dauerbetrieb der Anlage ausgelegt. „In Zeiten, in denen Kraftwerke die Versorgungslücken regenerativer Energien auffangen müssen, ist ein Dauerbetrieb keine Option mehr. Die Anlagen müssen nach Bedarf Energie produzieren“, beschreibt Schulz die Lage. Infolgedessen fahren die Kraftwerke wiederholt an und ab. Ein zusätzlicher Kostenpunkt für Betreiber: Durch verringerte Laufzeiten sinkt der Umsatz, gleichzeitig steigen die Instandhaltungs- und Prüfkosten durch die neuen Anforderungen immens an. Um letzteres zu ändern, entwickelten die Forschungspartner ein optimiertes Prüfverfahren für Anlagen mit Wechsellastbetrieb.

Anstoß für das dreijährige Forschungsprojekt war eine Vielzahl offener Fragen: Wie kann die Restlebensdauer teurer Anlagenkomponenten ausgeschöpft werden ohne die Sicherheit zu gefährden? Wie schnell können Kraftwerke anfahren? Können die Prüfintervalle unter den veränderten Bedingungen angeglichen und verlängert werden? Das Resultat ist eine weiterentwickelte und angepasste bruchmechanische Schadenstoleranzanalyse. Im Steinkohlekraftwerk Rostock wurde diese bereits erfolgreich technisch erprobt.

Die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst

„Die modifizierte Schadenstoleranzanalyse kann jetzt auch für zyklisch belastete, dickwandige Kraftwerkskomponenten anwendet werden“, erklärt Rieck. „Um das Verfahren auf den thermisch belasteten Kraftwerksbereich zu übertragen, war diese Anpassung unbedingt notwendig.“ Dabei wird ein hypothetischer Anriss in einem Anlagenteil angenommen. Die Experten ermitteln dann, wie lang es dauern wird, bis dieser Riss eine rechnerisch kritische Größe erreicht und das Bauteil versagen könnte. Diese Zeitspanne bestimmt, wann die Kraftwerkskomponente wieder geprüft werden muss. Das Verfahren kann bei Temperaturen bis zu 550 Grad Celsius angewandt werden, wie die umfangreichen Werkstoffuntersuchungen in THERRI zeigten. Die detaillierte Methodik ist in einem Richtlinienentwurf anwendergerecht aufbereitet worden. Basierend auf den Ergebnissen entwickelte TÜV NORD die Grundlagen für das intelligente Prüfkonzept SIC (Smart Inspection Concept). Der Softwarebaustein wird in das Online-Monitoring eines Kraftwerks installiert und berechnet die entsprechenden Prüfintervalle selbstständig. Er reagiert zudem auf aktuelle Veränderungen im Betrieb der Anlage.

THERRI – nur für Kraftwerke?

Die Versuchsreihen wurden an dem Kraftwerksstahl X20 CrMoV 12 1 durchgeführt. Das resultierende Prüfverfahren kann aber auch auf weitere Industriebereiche übertragen werden. Grundlegend ist es für alle Anlagen geeignet, die zyklisch belastet werden: Dazu zählen unter anderem auch Komponenten des regenerativen Energiesystems wie thermische Speicher und Power–to-Gas-Anlagen. Da auch die chemische Prozessindustrie weitgehend mit Behältern und Komponenten aus den gleichen Stählen bei ähnlichen Temperaturen arbeitet wie Kraftwerke, kann das Verfahren hier sogar eins zu eins übertragen werden. Mit einigen Anpassungsarbeiten ist das auch für weitere Anwendungsgebiete möglich. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Ergebnisse des Forschungsprojektes THERRI wird auf dem diesjährigen TÜV NORD Kraftwerkssymposium am 10. Mai 2017 in Dortmund vorgestellt.

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