Die Zahl der Pendlerinnen und Pendler steigt, meldete das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im vergangenen Jahr. Rund 20 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten nicht in der Stadt oder Gemeinde, in der sie wohnen. Im Durchschnitt liegen Wohnort und Arbeitsplatz mehr als 17 Kilometer voneinander entfernt. Zirka vier Millionen Menschen fahren pro Arbeitstag sogar mindestens 100 Kilometer.
Die weiten Wege sind für viele Pendlerinnen und Pendler eine Belastung. Je länger sie unterwegs sind, desto schlechter geht es ihnen damit. Doch das muss nicht so sein. „Es kommt auch darauf an, wie man sich fortbewegt“, sagt Christian Müller vom Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV NORD in Köln.
Die Gesundheit leidet besonders unter langen Autofahrten – zum einen, weil man sich währenddessen wenig bewegt, zum anderen, weil es die nötige Zeit und Energie für Freizeitsport raubt. Deshalb empfiehlt der Psychologe Müller, wann immer möglich zu Fuß oder mit dem Rad zu pendeln: „Es lohnt sich, das Auto stehen zu lassen.“
Das belegte unter anderem eine 2020 veröffentlichte Feldstudie in Österreich. Eine Forschungsgruppe um den Kardiologen Josef Niebauer hatte Angestellte der Salzburger Landeskliniken davon überzeugt, anstatt mit dem Auto künftig entweder mit dem Rad oder teils zu Fuß, teils mit Bus oder Bahn zur Arbeit zu kommen. Daraufhin wurden die Klinikangestellten innerhalb eines Jahres deutlich fitter, wie Messungen auf einem Fahrradergometer dokumentierten. Weitere Untersuchungen ergaben: Wenn untrainierte Menschen beginnen, zur Arbeit zu laufen oder mit dem Rad zu fahren, dann sinken bei ihnen Blutdruck, Bauchumfang und Cholesterinwerte.
Zahlreiche Studien belegten ähnliche – wenn auch meist moderate – Effekte. Eine finnische Studie wies nach, dass aktives Pendeln das Risiko eines Schlaganfalls fast ebenso stark senkte wie moderater Freizeitsport, jedoch weniger als intensiver Sport. Eine andere finnische Untersuchung kam zu dem Schluss, dass zusätzliche Bewegung über etwa zwei Kilometer pro Werktag nur geringe Wirkung zeigt.
„Es kommt darauf an, wie lange und wie sehr man sich anstrengt“, erläutert Christian Müller. Auch die Umgebung spielt eine Rolle: Ist die Luft gut, führt der Weg durch die Natur? Eine hohe Feinstaubkonzentration mindert die gesundheitlichen Vorteile von körperlicher Bewegung. Und das Wohlbefinden steigt vor allem dann, wenn die Strecke durchs Grüne oder am Wasser entlang geht.
Aber was, wenn es keine Alternative zum Auto gibt? Dann bleibt immerhin die Möglichkeit, das Pendeln nicht als verlorene Zeit zu betrachten, sondern als „me time“, als „Zeit für mich“. So formuliert es Shani Pindek, Stressforscherin an der Universität Haifa in Israel. Sie beschreibt Pendeln als eine Art »dritten Raum«, der zwei Funktionen erfüllen kann: Er trennt als Puffer zwischen beruflichem und privatem Leben. Und er schafft den Raum und die Zeit, um Bedürfnisse zu erfüllen, die im Alltag zu kurz kommen: sich zu entspannen, sich unterhalten zu lassen oder sich weiterzubilden.
Christian Müller von TÜV NORD empfiehlt, je nach Bedürfnis im Auto Musik, ein Hörbuch oder einen Podcast zu hören, „kleine Rituale zu schaffen, die den Alltag bereichern.“ So könne das Pendeln sogar die Zufriedenheit fördern, sagt der Psychologe. Dabei sei aber unbedingt darauf zu achten, dass die Unterhaltung – sei es ein Telefonat oder ein spannendes Hörbuch – nicht vom Verkehrsgeschehen ablenkt.
Eine Befragung in drei schwedischen Städten bestätigte: Wenn die Alltagsroutinen funktionieren und die positiven Gefühle überwiegen, sind die Menschen mit dem Pendeln zufrieden. Und das könne sogar zum Lebensglück beitragen.
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