Chennai: Vollautomatisiert und den kalten Temperaturen trotzend wird ein neues Metrosystem im kanadischen Montreal installiert. Die 212 Wagen baut Alstom in indischen Sri City. TÜV India überwacht die anspruchsvolle Fertigung.
Montreal setzt verkehrspolitische Zeichen: Ab 2022 soll ein neues fahrerloses Metronetz etappenweise in Betrieb gehen und bis 2024 eine Streckenlänge von 67 Kilometern mit 26 Bahnhöfen haben. Das Réseau express métropolitain wird dann das viertlängste automatisierte Verkehrssystem der Welt sein. Mit dabei: TÜV India, die Bahntechnik-Fachleute des Unternehmens begleiten die Fertigung der insgesamt 212 Wagen. Diese werden hergestellt von Alstom Transportation India, angesiedelt in Sri City im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh. Es handelt sich um eine Sonderwirtschafts- und Freihandelszone, in der sich seit der Gründung 2008 über 180 internationale Unternehmen angesiedelt haben.
Genaue Prüfung der Materialien und der Schweißnähte
Um zum Werk zu kommen, muss Jayesh Patel von TÜV India 80 Kilometer zurücklegen. Der Sachverständige für die Begutachtung von Schienenfahrzeugen hat sein Büro in Chennai im benachbarten Bundesstaat Tamil Nadu. Diese Strecke fährt er häufig: Seine Aufgabe ist es, die Fertigung der Wagen vom Typ Metropolis zu begleiten. „Das schließt Prüfungen der Schweißnähte ein sowie die zerstörungsfreie Prüfung des Materials und der Schweißnähte für die Wagen“, so Jayesh Patel. Die Karosserie der Wagen besteht aus rostfreiem Stahl. „Das ist wegen der klimatischen Bedingungen sehr wichtig“, betont er: Die Bahnen sollen für die große Temperaturspanne von –38°C bis +38°C ausgelegt sein. TÜV India soll die technischen Anforderungen des Kunden mit den kanadischen Regelwerken in Einklang bringen und so das rollende Material für den Einsatz sicher machen – kurz: Qualitätssicherung.
Der 40-jährige Patel ist Allrounder und dennoch Spezialist: Er hat einen Bachelor-Abschluss in Maschinenbau, ist interner Umweltmanagement-Auditor, kennt sich aus mit Metallurgie und Schweißtechnik, war in der Bahnindustrie Qualitätsmanager und Ingenieur für Schweißtechnik, um nur einige Qualifikationen und Stationen seines Berufslebens zu nennen. Bahnprojekte hat er in Indien und Australien betreut – und jetzt eben Kanada. Das alles war mit ausschlaggebend für den Zuschlag, den TÜV India für die Arbeiten in diesem Projekt erhalten hatte.
Mit höchstem Automatisierungsgrad unter hoher Spannung
Eine weitere Besonderheit der Bahn in Montreal: Der Bahnstrom wird 1.500 Volt betragen und durch Stromabnehmer auf den Wagen aufgenommen werden; die Gefahr der Vereisung bei einer bodennah verlegten Stromzufuhr wäre zu groß. Die hohe Spannung ist nötig, um eine drei Kilometer lange Brücke über den St.-Lorenz-Strom ohne zusätzliche Unterwerke auf der Brücke nutzen zu können. TÜV India überwacht im indischen Alstom-Werk die Einhaltung des Prüfprotokolls für die Stromversorgung.
Die Bahnen in Montreal werden vollautomatisch fahren, es handelt sich um ein Bahnsystem mit dem höchsten Automatisierungsgrad GoA4. Sehr modern, und trotzdem für die Stadt am St.-Lorenz-Strom ein alter Hut: Montreal hatte schon einmal eine vollautomatische Bahn, eingerichtet zur Expo 1967, sie wurde aber schon einige Jahre später eingestellt.
„Wir prüfen seit September 2019“, erzählt Jayesh Patel, „und wir werden es bis September 2023 tun, dann sollen die letzten Wagen nach Kanada geliefert werden.“ Die ersten Wagen sind schon in Montreal angekommen und haben ihren ersten kanadischen Winter erlebt – wie auch der indische Ingenieur, der einen Monat lang in Montreal war, um technische Feinheiten mit den Auftraggebern abzusprechen. „Es war wirklich sehr kalt“, gibt er zu, „aber es war auch eine großartige Erfahrung, diese tiefen Temperaturen einmal selbst gefühlt zu haben.“ Letztlich aber war er froh, dass ihn Chennai wieder mit angenehmer Wärme empfing – und mit scharfem Essen.
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