Warum der Abschied vom alten Auto so schwer fällt

Es hat Rost angesetzt, muss oft in die Werkstatt, und die Reparaturen rechnen sich längst nicht mehr. Das alte Auto hat ausgedient – und doch tun sich viele Menschen schwer, es zu verkaufen. Warum das normal und menschlich ist, erklärt der Psychologe Klaus Peter Kalendruschat von TÜV NORD.

Es hat Rost angesetzt, muss oft in die Werkstatt, und die Reparaturen rechnen sich längst nicht mehr. Das alte Auto hat ausgedient – und doch tun sich viele Menschen schwer, es zu verkaufen. Warum das normal und menschlich ist, erklärt der Psychologe Klaus Peter Kalendruschat von TÜV NORD.

Für die einen ist das eigene Auto einfach ein Transportmittel. Für die anderen ist es mehr als das: ein Gefährte, der sie durch gute und schlechte Zeiten begleitet hat. Sich von ihm zu trennen, nur weil es in die Jahre gekommen ist, erscheine vielen herzlos, sagt Kalendruschat. „Man würde einen alten Hund ja auch nicht ins Tierheim geben.“

Nicht nur in deutschen Herzen hat das Auto seinen Platz. In den USA beschreibt jeder Dritte seinen Wagen als ‚alten Freund‘, wie eine Umfrage eines Online-Autoverkäufers ergab. Zwei Drittel wollten vor dem Verkauf ihres Autos sogar noch einmal etwas Schönes mit ihm unternehmen.

Handelt es sich um eine merkwürdige Marotte, wenn wir leblose Dinge vermenschlichen? Nicholas Epley, Professor für Verhaltenswissenschaften an der University of Chicago, sieht darin vielmehr ein Nebenprodukt unserer sozialen Intelligenz. Eine kleine Spezialeinheit in unserem Gehirn, das so genannte fusiforme Gesichtsareal, sorgt dafür, dass wir Autoscheinwerfer oft als Augen und den Kühlergrill als Mund wahrnehmen. Wir verbinden sie sogar mit menschlichen Eigenschaften, zum Beispiel Kulleraugen mit einem freundlichen oder kindlichen Gemüt. Diese Automatismen haben sich im Lauf der Evolution offenbar bewährt.

Sobald wir Dinge vermenschlichen, verhalten wir uns häufig auch entsprechend. Das belegten Experimente an der University of Michigan: Eine Gruppe von Versuchspersonen sollte das eigene Auto mit technischen Merkmalen beschreiben, die übrigen sollten seinen Charakter beschreiben. Letztere waren daraufhin im Schnitt weniger bereit, ihr altes Auto durch ein neues zu ersetzen.

Die Industriedesigner Hendrik Schifferstein und Elly Zwartkruis-Pelgrim von der TU Delft in den Niederlanden wollen solche Erkenntnisse nutzen, um die Lebensdauer von Konsumobjekten zu verlängern. Ein Gebrauchsgegenstand ohne emotionalen Wert lasse sich einfach ersetzen. Nicht aber, wenn er mit schönen Erfahrungen verknüpft sei. Das Design könne die Bindung stärken, zum Beispiel, indem es den Gebrauch zu einem besonderen Erlebnis mache. Dann würden Menschen länger an alten Dingen festhalten und sie gegebenenfalls reparieren.

Ein Auto kann beispielsweise an die Hochzeitsreise oder an den ersten Job und die damit verbundene Unabhängigkeit erinnern. „Es verbindet uns mit unserer eigenen Geschichte und vermittelt ein Gefühl von Kontinuität“, erklärt der Psychologe Klaus Peter Kalendruschat von TÜV NORD. „Wenn die Welt unsicher erscheint, suchen wir Verlässlichkeit im Vertrauten. Besonders in Krisenzeiten und Umbruchphasen ist es daher nur menschlich, beim Abschied ein bisschen sentimental zu sein.“

Mobility (Verkehr)
Claas Alexander StrohKonzern-Kommunikation

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