In der Nacht auf den 27. Oktober werden die Uhren um eine Stunde zurückgestellt. Damit endet die Sommerzeit: Es wird abends wieder früher dunkel und morgens früher hell. Seit dem Jahr 1980 verstellen die Deutschen zweimal im Jahr die Uhr: Im März wechseln sie zur Sommerzeit, im Herbst zurück zur Normalzeit, umgangssprachlich Winterzeit. Die Umstellung auf Sommerzeit soll eigentlich dazu dienen, dank längerer Helligkeit am Abend Energie zu sparen. Doch schon 2009 meldete das Umweltbundesamt, dass sich das nicht lohne. Im Sommer brenne zwar abends weniger Licht, allerdings werde dafür im Frühjahr und Herbst in den Morgenstunden mehr geheizt.
Dennoch ist die Sommerzeit hier zu Lande beliebt – die Menschen genießen die langen Sommerabende. Über die Zeitumstellung freuen sie sich jedoch nicht: Drei von vier Deutschen würden sie gerne abschaffen, wie das Umfrageinstitut YouGov 2023 meldete. Die Mehrheit will über das ganze Jahr hinweg mit der Sommerzeit leben. Die meisten Fachleute sprechen sich allerdings dagegen aus, berichtet Ralf Buchstaller vom Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV NORD in Hamburg. „Bei ganzjähriger Sommerzeit wäre es auch im Winter morgens länger dunkel. Und das bedeutet: Uns würde der wichtigste natürliche Wachmacher fehlen, das Sonnenlicht.“
Zeitumstellung im März fällt Menschen schwer
Weiterhin zwischen Sommer- und Winterzeit zu wechseln, wäre allerdings auch keine gute Lösung. Besonders die Zeitumstellung im März macht vielen Menschen zu schaffen, wie ein Team um den deutschen Chronobiologen Thomas Kantermann 2007 herausgefunden hat. Die Gruppe wertete Angaben von rund 55.000 Menschen aus und stellte fest: Die innere Uhr bleibt oft noch wochenlang im alten Rhythmus – sie geht also „nach“, gemessen an der Sommerzeit. Die Folge: Die Menschen werden morgens nicht wach und abends nicht müde, müssen werktags aber dennoch eine Stunde früher raus. Schlimm ist das vor allem für die Nachteulen, da sie ohnehin schon Probleme haben, in der Frühe aus dem Bett zu kommen.
Kein Wunder also, dass in der Woche nach der Zeitumstellung im März vorübergehend die Lebenszufriedenheit der Deutschen sinkt. Aber nicht nur das subjektive Wohlbefinden leidet. Viele Studien beobachteten zu Beginn der Sommerzeit ein erhöhtes Risiko für Verkehrsunfälle. Eine Studie zählte in rund 50 spanischen Städten jeweils am Tag nach der Zeitumstellung im März im Schnitt rund 30 Prozent mehr Verkehrstote. Die Forschenden berechneten, dass die Zeitumstellung allein in diesen 50 Städten im Verlauf von rund 25 Jahren für 40 Todesfälle verantwortlich gewesen sei. Im Herbst fiel der Anstieg hingegen nur rund halb so stark aus.
Die Folgen der Zeitumstellung im Herbst sind höchst umstritten. Auch in den meisten Regionen des nordamerikanischen Kontinents werden zweimal im Jahr die Uhren umgestellt, aber US-Statistiken offenbarten nach dem Wechsel auf Winterzeit keine vermehrten Verkehrstoten. Im Frühjahr dagegen häuften sich in den USA ebenfalls nach der Umstellung die tödlichen Verkehrsunfälle, und das vor allem morgens. Die Forschenden erklären das mit vermehrter Müdigkeit und längerer Dunkelheit am Morgen – dann, wenn die Verkehrsdichte am höchsten ist. Nicht nur im Straßenverkehr steigt nach der Zeitumstellung die Gefahr für Leib und Leben. Die Rechtsmedizin der Universität Frankfurt beobachtete gemittelt über ein Jahrzehnt auch vermehrte Todesfälle aufgrund von Suiziden und Herzinfarkten. Eine Übersichtsarbeit aus Italien belegte ebenfalls, dass nach der Zeitumstellung im Frühjahr das Infarktrisiko erhöht ist.
Sommerzeit hilft der inneren Uhr
„Vieles spricht dafür, die Sommerzeit abzuschaffen und das ganze Jahr über die Normalzeit beizubehalten“, sagt Ralf Buchstaller von TÜV NORD. Sie helfe der inneren Uhr, sich den üblichen Schlaf- und Wachzeiten anzupassen, die uns von Arbeit und Schule vorgegeben sind. „Wäre immer Sommerzeit, wäre es im Sommer abends zu lange hell und im Winter morgens zu lange dunkel“, erklärt der Psychologe.
Zwei Länder haben es ausprobiert und wieder aufgegeben. „1968 stellte das Vereinigte Königreich auf dauerhafte Sommerzeit um, 2011 versuchte es auch Russland“, erzählt der Psychologe. Beide beendeten das Experiment nach drei Jahren wegen der langen Dunkelheit am Morgen. Im Norden Deutschlands wären ähnliche Folgen zu erwarten. Wie eine Studie aus Göttingen berechnete, würde in Hamburg die Sonne gut einen Monat lang erst gegen 9.30 Uhr aufgehen. Im Mittel gäbe es in Deutschland nicht nur zwei, sondern gut vier Monate im Jahr, an denen es erst nach 8 Uhr hell würde.
„Im Winter erleichtert das Morgenlicht das Aufstehen und im Sommer die Abenddämmerung das Einschlafen“, erklärt Ralf Buchstaller. Gerade für die Nachteulen ist das wichtig. Weil sie abends spät müde werden, freuen sie sich zwar über lange Sommerabende. Doch die lange Helligkeit hält sie am Abend noch länger wach – sodass die innere Uhr noch weniger zum üblichen Tagesablauf passt. Vor allem aber fehlt ihnen im Winter das Licht am Morgen, um wach zu werden. „Das gilt nicht nur für Nachteulen“, sagt der Psychologe. „Wir alle brauchen morgens nach dem Aufstehen Tageslicht. Das bringt die innere Uhr in den richtigen Takt und sorgt abends für besseren Schlaf.“
Was ist die deutsche „Normalzeit“?
In Deutschland gilt die Mitteleuropäische Zeit (MEZ). Sie zählt neben der West- und der Osteuropäischen Zeit zu den drei europäischen Zeitzonen. Die Westeuropäische Zeit entspricht der »Weltzeit« oder »Universalzeit« (UT), einst »Greenwich Mean Time« (GMT) genannt, weil sie sich auf die Ortszeit am nullten Längengrad bezieht, der per Konvention durch die Sternwarte im Londoner Stadtteil Greenwich verläuft. Die mitteleuropäische Normalzeit ist der Weltzeit um eine Stunde voraus, die osteuropäische um zwei Stunden. Während der Sommerzeit kommt eine weitere Stunde hinzu: Seit 1996 stellen alle EU-Mitgliedsländer sowie ein paar Nachbarländer die Uhren Ende März eine Stunde vor und Ende Oktober eine Stunde zurück.
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