Ein Frühjahrsputz in der Garage tut der ganzen Familie gut. Nur wie trennt man den wertvollen vom unnötigen Kram? Die Psychologin Dr. Katrin Müller von TÜV NORD erläutert, wie der Abschied leichter fällt und warum Aufräumen gut für die Seele ist.
Im Keller, auf dem Dachboden oder in der Garage: In fast jedem Haushalt gibt es eine Schmuddelecke, in der alles landet, was sonst nirgends Platz findet. „Vor allem in der Mittelschicht gibt es den Trend, die Garage zu einem Speicher umzufunktionieren“, berichten die Anthropologin Jeanne Arnold und die Architektin Ursula Lang aus Kalifornien. Aus rund 20.000 Digitalfotos von Freiwilligen schlossen sie, dass Mittelschichtsfamilien ihre Garagen mehrheitlich als Abstellkammer oder Freizeitraum nutzten. Die meisten Erwachsenen beschrieben ihre Garagen selbst als ‚mess‘ – zu Deutsch: Chaos, Unordnung, Durcheinander.
Frauen leiden darunter offenbar mehr als Männer, fanden zwei ebenfalls in Kalifornien forschende Psychologinnen heraus. Sie ließen sich von 60 Paaren per Kamera durch ihr Haus führen und zeichneten auf, wie diese ihre Räume beschrieben. Äußerten sich die Frauen eher negativ, waren sie depressiver und standen stärker unter Stress. An der Zufriedenheit mit den eigenen vier Wänden ließ sich sogar ablesen, wie glücklich sie in der Ehe waren.
„Wie wir uns zu Hause fühlen, beeinflusst unser gesamtes Wohlbefinden“, erklärt die promovierte Psychologin Katrin Müller von TÜV NORD. Auch Kinder könnten unter einem chaotischen Haushalt leiden, warnt sie. Eine US-Studie zeigte, dass es Kindern schlechter ging, wenn sie in einem chaotischen Umfeld lebten – selbst dann, wenn die finanziellen Verhältnisse ihrer Familien nicht schlechter waren als die anderer Familien, die geordneter lebten. Britische Forschende beobachteten Ähnliches auch bei älteren Menschen.
Also weg mit all dem Zeug, das auf der Seele lastet, und endlich Ordnung schaffen? Vielen Menschen fällt das schwer. Viele Besitztümer haben einen sentimentalen Wert, sind verknüpft mit Erinnerungen oder Hoffnungen für die Zukunft. Andere Gegenstände wiederum meint man eines Tages doch noch brauchen zu können.
Zumindest für den sentimentalen Trennungsschmerz gibt es eine einfache Kur, haben drei US-Ökonominnen in Experimenten herausgefunden. Es genüge meist, die Habseligkeiten zu fotografieren – schon falle der Abschied leichter. Nur wie entscheiden, was man dennoch behalten möchte? Für Ordnungsberaterin Marie Kondo, die derzeit Aufräumwillige in einer eigenen TV-Serie berät, liegt der Schlüssel darin, ob etwas Freude bereitet. Sie stellt deshalb eine einfache Frage: Macht diese Sache froh?
Bei schnöden Gebrauchsgegenständen hilft das zwar wenig. Wagenheber und Bohrmaschine versprühen schließlich nicht unbedingt Glück, haben aber durchaus ihren Wert. In solchen Fällen sollte man sich fragen, was eine Neuanschaffung kosten würde und wie oft man das Ding tatsächlich benötigt, empfiehlt Dr. Katrin Müller von TÜV NORD. „Wer sich unsicher ist, kann ein Post-it mit Verfallsdatum darauf kleben. Wenn es bis dahin nicht in Gebrauch war, kommt es weg.“
Man muss sich nicht gleich die ganze Garage auf einmal vornehmen. „Der Anblick des ersten ordentlichen Regals motiviert meist ohnehin zum Weitermachen“, sagt die Psychologin. Auf Dauer dranzubleiben sei das Schwierigste. Dabei erweise sich die ‚1-in-1-out‘- Strategie als nützlich: Für jede neue Anschaffung muss eine alte weichen.
Natürlich wirft man hin und wieder auch etwas weg, was man eines Tages doch wieder hätte gebrauchen können. „Aber die Alternative ist, sich täglich vom alten Ballast erdrücken zu lassen“, gibt Katrin Müller von TÜV NORD zu bedenken. „Also ärgern wir uns lieber manchmal ein bisschen. Dafür fühlen wir uns ansonsten rundum aufgeräumt.“
Über die TÜV NORD GROUP
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