In jedem von uns tickt eine innere Uhr. Sie sorgt dafür, dass wir abends müde und morgens wieder munter werden. Aber das geschieht nicht bei jedem zur selben Zeit. Typische Morgenmenschen wachen früh auf, während die Nachteulen noch im Tiefschlaf liegen. „Im Fachjargon spricht man von frühen und späten Chronotypen“, erklärt Philip Frieg vom Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV NORD in Dortmund.
Für das Überleben unserer Vorfahren war es einst von Vorteil, wenn die Mitglieder einer Gruppe zu unterschiedlichen Zeiten schliefen. Doch heute, im modernen Arbeitsleben, sind die Nachteulen häufig im Nachteil: Sie werden abends erst spät müde und müssen dennoch morgens früh aufstehen. So bekommen sie nicht genug Schlaf. Die Zahl derer, die unter einem solchen sozialen Jetlag leiden, ist groß. Fachleute haben errechnet, dass rund ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung der inneren Uhr zufolge mindestens zwei Stunden später aufstehen würde.
Bei Jugendlichen passen Weckzeiten und innere Uhr noch weniger zusammen. In der Pubertät verschiebt sich der Schlaf-wach-Rhythmus deutlich nach hinten, und erst mit ungefähr 20 Jahren kehrt sich der Trend wieder um. Die Schulen nehmen auf die Biologie allerdings keine Rücksicht: Sie beginnen in der Regel um 8 Uhr. „Da sind die meisten Jugendlichen noch nicht richtig wach“, sagt der promovierte Psychologe Frieg.
Das wirkt sich unter anderem auf die Schulnoten aus, wie eine Studie in den Niederlanden zeigte. Bei Prüfungen am Vormittag schnitten Jugendliche mit spätem Chronotyp auf einer Skala von 1 bis 10 im Mittel rund eine halbe Note schlechter ab als jene mit frühem Chronotyp. Die schlechtesten Noten hatten Nachteulen mit einem sozialen Jetlag von mehr als drei Stunden – was auf ein Fünftel von ihnen zutraf. Dagegen gab es bei Prüfungen am Nachmittag keinen Unterschied zwischen frühen und späten Chronotypen.
Doch schon eine Stunde mehr am Morgen könnte helfen. Das belegt unter anderem eine Umfrage unter rund 6500 russischen Schülerinnen und Schülern der 6. bis 11. Klasse: Sie hatten bessere Noten, wenn der Unterricht anstatt um 8 Uhr um 9 Uhr startete. Ein solcher Effekt zeigt sich aber nicht in allen Studien. Wahrscheinlich genügt eine Stunde häufig noch nicht – einige Fachleute empfehlen daher, die Schule für Jugendliche erst um 10 Uhr beginnen zu lassen.
Unterschiede zwischen frühen und späten Chronotypen
Auch Experimente mit Erwachsenenzeigen, dass späte Chronotypen morgens körperlich und geistig weniger fit sind als frühe Chronotypen. Abends ist es manchmal umgekehrt. Zum Beispiel beim räumlichen Vorstellungsvermögen: Hier sind die Spättypen morgens langsamer, abends hingegen schneller als die Frühtypen. Bei Experimenten im Fahrsimulator unterscheiden sich die Chronotypen allerdings am Morgen besonders deutlich, zum Nachteil der Nachteulen: Sie machen mehr Fehler und fahren unsicherer als Morgenmenschen.
Forschende vermuten, dass diese Unterschiede noch mit anderen Eigenschaften zusammenhängen könnten. Zum Beispiel sind Morgenmenschen im Durchschnitt etwas gewissenhafter, Nachteulen etwas impulsiver und risikofreudiger, und sie neigen auch eher dazu, betrunken Auto zu fahren.
Der Lebensstil schlägt sich sogar in der Lebenserwartung nieder. In Langzeitstudien sterben über einen Zeitraum von mehreren Jahren oder Jahrzehnten ungefähr zehn Prozent mehr Nachtmenschen. Laut einer finnischen Analyse liegt das vor allem am vermehrten Nikotin- und Alkoholkonsum. Jene Nachteulen, die weder viel tranken noch rauchten, hatten kein erhöhtes Sterberisiko.
Welcher Chronotyp bin ich?
Ob Eule oder nicht: „Gesund leben bedeutet, für ausreichend Schlaf zu sorgen“, sagt Philip Frieg von TÜV NORD. Nur ist es gar nicht so leicht, rechtzeitig einzuschlafen, wenn man noch nicht müde ist. Doch die innere Uhr lässt sich ein wenig verstellen. Zum einen, indem man zwei bis drei Stunden vor der gewünschten Schlafenszeit alles vermeidet, was den Körper aktiviert, vor allem helles Licht. Zum anderen, indem man direkt nach dem Aufstehen Tageslicht tankt: durch einen Spaziergang im Freien oder durch eine Tageslichtlampe. „Das Licht unterdrückt das Schlafhormon Melatonin“, erklärt der Psychologe.
Morgens Tageslicht, abends Dämmerlicht: Das kann zwar helfen. Bei einem mehrstündigen sozialen Jetlag genügt das aber nicht. In solchen Fällen raten Fachleute dazu, den Alltag an die biologische Uhr anzupassen – notfalls mit einem Jobwechsel. Sollte das nicht möglich sein, bleibt noch die Hoffnung auf die Biologie: Bei Erwachsenen verschiebt sich der Chronotyp mit zunehmendem Alter meist Richtung Morgen, berichtet Philip Frieg. „So wird manche Eule doch noch zum frühen Vogel."
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