Beim Autofahren nehmen es viele Menschen mit den Regeln nicht so genau. Eine der möglichen Ursachen ist den meisten wahrscheinlich nicht bewusst: Das Verhalten am Steuer könnte mit der Körperhaltung zusammenhängen. Darauf deutet eine erstaunliche Beobachtung hin: Autos mit großem Sitzraum parkten häufiger falsch, so berichtete ein Forschungsteam von der TU Berlin und der Universität Basel vor einigen Jahren. Es wäre zwar denkbar, dass große Autos nicht so leicht einen Parkplatz finden oder dass nicht der Platz hinterm Steuer, sondern die Größe des Fahrzeugs dazu verleitet, Sonderparkrechte zu beanspruchen. Doch die drei Psychologen konnten diese Erklärungen ausschließen. Es blieb dabei: Mehr Sitzraum ging einher mit mehr Regelverstößen.
Forschende von renommierten US-Hochschulen wie der Harvard University haben das bestätigt. Sie ließen rund 70 Studierende in einem Fahrsimulator Rennen fahren – unter zwei verschiedenen Bedingungen: Die einen saßen beengt, die anderen konnten ihre Arme und Beine bequem ausstrecken. Allen wurden zehn Dollar Belohnung versprochen, falls es ihnen gelänge, die vorgegebene Strecke in fünf Minuten zurückzulegen. Ergebnis: Die beengt Sitzenden hatten im Schnitt gut vier Unfälle, die mit viel Raum rund sieben Unfälle. Letztere ignorierten außerdem mehr als doppelt so oft die Spielregeln: Nach einem Unfall fuhren sie weiter, obwohl sie eigentlich eine Weile warten sollten. Wer Platz hatte, verhielt sich also eher riskant oder unsozial.
Dafür könnte ein Phänomen verantwortlich sein könnte, welches Fachleute „embodied cognition“ (verkörpertes Denken) nennen. Die Grundidee dahinter: „Geistige Prozesse sind im Körper verankert und werden auch von ihm beeinflusst“, erläutert Dennis Dal Mas vom Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV NORD in Bielefeld.
Bereits in den 1980er Jahren zeigten Experimente: In gebeugter Haltung fühlt man sich hilfloser und gestresster als in einer offenen, aufrechten Haltung. Kopf und Oberkörper sind für die Psyche offenbar besonders wichtig. Darauf lässt eine Studie aus Japan schließen, bei der Versuchspersonen unter einem Vorwand in verschiedene Posen gebracht wurden. Ein gerader Rücken weckte demnach positive Gefühle, ein gebeugter Rücken oder ein gesenkter Kopf negative Gefühle – und daran änderte auch ein breiter Stand nichts.
Besonders oft untersucht wurden so genannte Powerposen: raumgreifende Positionen wie hinter dem Kopf verschränkte Hände oder breitbeiniges Sitzen. Solche Körperhaltungen können Gedanken und Gefühle auslösen, die mit einem hohen sozialen Status assoziiert sind, wie unter anderem eine Metaanalyse der Universität Bamberg über mehr als 100 Experimente nahelegt. Demnach steigert eine aufrechte Haltung das Selbstvertrauen, und raumgreifende Posen wecken Gefühle von Macht und Dominanz.
Gesellschaftliche Konventionen haben dabei allerdings ein Wörtchen mitzureden. „Eine Powerpose funktioniert nur dann, wenn sie nicht gegen soziale Normen verstößt«, berichtet Dennis Dal Mas von TÜV NORD. Die Füße auf dem Tisch zu legen, gilt in vielen Situationen als unverschämt oder zumindest unpassend. In einem Experiment fühlten sich in dieser Position zum Beispiel nur Versuchspersonen aus den USA mächtiger, nicht aber Versuchspersonen asiatischer Herkunft – vermutlich, weil deren Kultur eine solche Haltung verbietet.
„Eine Machtpose ist immer ein zweischneidiges Schwert“, sagt Dal Mas. Wenn man einen guten Eindruck machen will, sei deshalb eine aufrechte Körperhaltung die bessere Wahl. Eine britische Studie ließ Fotos derselben Männer und Frauen in unterschiedlichen Posen beurteilen und stellte fest: Das höchste Selbstvertrauen wurde den männlichen Machtposen attestiert. Doch professioneller und freundlicher wirkten die Damen ebenso wie die Herren in einer aufrechten Haltung. Der Psychologe von TÜV NORD empfiehlt: „Einfach nur gerade sitzen, dann läuft es auch am Steuer rund.“
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