Zertifizierung von Wasserstoff: TÜV NORD-Energieexperte für mehr Tempo in Brüssel

Silvio Konrad sagt, es brauche belastbare Strukturen für Zertifizierungen. „Das ist extrem zeitkritisch.“

Kassel. Der TÜV NORD-Energieexperte Silvio Konrad wünscht sich in Bezug auf die Zertifizierung von Wasserstoff ein höheres Tempo der europäischen Politik. Es brauche belastbare nationale und internationale Strukturen für Zertifizierungen, sagte Konrad in der neuen Folge des Podcasts „Energieschub“. „Das ist extrem zeitkritisch, damit die Marktakteure auch eine planerische Sicherheit haben. Europa sehe ich hier aktuell noch zu stark auf der Bremse stehen.“ Er sei gespannt, ob und wie das deutsche Wirtschaftsministerium an dieser Stelle möglicherweise ein nationales Beispiel dazu zu schaffen könne.

In der Diskussion um grünen Wasserstoff plädierte Konrad dafür, nicht allein auf eine Farbe zu setzen. Wichtig sei, wie klimaneutral und nachhaltig der Wasserstoff am Ende sei. Dabei müssten auch ökologische und soziale Auswirkungen im gesamten Lebenszyklus betrachtet werden, der alleinige Bezug auf eine Farbe könne missverständlich sein. „Man muss zum Beispiel auch die Nutzung von Wasser in der Elektrolyse oder die Einhaltung von sozialen Standards in der Produktion miteinbeziehen. Dafür müssen auf nationaler und internationaler Ebene einheitliche Ansätze zur Bewertung und Zertifizierung etabliert werden“, so der Geschäftsführer von TÜV NORD Systems. 

Die vierte Podcast-Folge wurde am Rande des „Symposiums Multimodale Energiesysteme in Theorie und Praxis“ in Kassel aufgezeichnet. Podcast-Gäste waren Prof. Dr. Peter Birkner, Geschäftsführer von „House of Energy“, das sich in Kassel für eine effektive und effiziente Energiewende in Hessen und Deutschland engagiert, sowie Prof. Dr. Martin Braun, Fachgebietsleiter „Energiemanagement und Betrieb elektrischer Netze“ an der Universität Kassel und Leiter des Bereichs Netzplanung und Netzbetrieb am Fraunhofer IEE.

„Energiewende ist eine Herkulesaufgabe"

Braun erklärte im Podcast, es brauche in Bezug auf Strom einen massiven Ausbau der Infrastruktur. „Wenn wir das Klimaneutralitätsnetz der Zukunft betrachten, dann werden wir im Vergleich zu heute einen etwa doppelt so großen Strombedarf haben. Dieser Strom muss transportiert werden“, so der Energieexperte der Universität Kassel. Dafür seien neue Strukturen nötig, weil es auch andere Erzeugungsstandorte geben werde. Durch die Dezentralisierung im Rahmen der Energiewende würden die Systeme zudem deutlich komplexer. „Wir brauchen Flexibilitäten, um die wetterabhängige Erzeugung mit dem Strombedarf in Gleichklang zu bringen. Wir haben künftig die Aufgabe, Millionen von Anlagen zu koordinieren und zu steuern." Braun nannte die Energiewende "eine Herkulesaufgabe".

In der Diskussion um Wasserstoff sprach sich Birkner dafür aus, das chemische Element weder als Allheilmittel noch als „Stand-alone-Produkt“ zu betrachten, auch wenn es sich bei Wasserstoff um ein „Multitalent“ mit vielen Einsatzoptionen handle. Grundsätzlich sei die Energiewende erst einmal elektrizitätszentriert. „Strom ist die Endenergieform, die am effizientesten in Nutzenenergie umgewandelt werden kann. Deswegen müssen wir erst einmal versuchen, möglichst viel auf der Strombasis zu lösen“, erläuterte Birkner. Nur wo das nicht möglich sei und die Volatilität im System nicht mehr beherrscht werden könne, müsse der Sprung zum Wasserstoff erfolgen. Wasserstoff sei zum einen „Stabilitätselement für das Stromsystem“, darüber hinaus können man ihn auch in vielen anderen technischen und chemischen Bereichen verwenden.

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