Freundlichkeit am Steuer zahlt sich aus

5 Februar 2025 | People & Empowerment:: Im Straßenverkehr hilft Freundlichkeit, weiß Dennis Dal Mas von TÜV NORD zu berichten.

Ein Auto kommt aus einer Einfahrt und will auf die Straße einbiegen. Bei dichtem Verkehr ist das nicht immer einfach: Zunächst muss ein anderer Verkehrsteilnehmer bremsen und eine Lücke lassen. „Das gehört zum guten Ton“, sagt Dennis Dal Mas vom Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV NORD in Bielefeld. „Aber leider sind gute Umgangsformen im Straßenverkehr nicht selbstverständlich.“

Die Forschung belegt das. In den vergangenen Jahren haben Autofahrerinnen und -fahrer in rund 40 Ländern in Asien und Europa Auskunft darüber gegeben, wie sie sich in ähnlichen Situationen verhalten: Wie oft verzichten sie auf die Vorfahrt? Blinken sie regelmäßig vor einem Spurwechsel? Fahren sie dicht auf voranfahrende Autos auf? Demnach darf man innerhalb von Europa am ehesten in Großbritannien und den Niederlanden auf anständiges Verhalten hoffen. In Deutschland dagegen, ähnlich wie in Frankreich, Italien und der Türkei, verhielten sich die Menschen eher „mäßig höflich“, so formulieren es die Forschenden.

Eine berühmte Feldstudie aus den 1990er Jahren beobachtete ebenfalls regionale Unterschiede in der Freundlichkeit gegenüber Fremden. Versuchsleiter Robert Levine und sein Team stellten Menschen in mehr als 30 US-Städten auf die Probe, indem sie auf der Straße kritische Alltagssituationen fingierten. In einer davon versuchte ein scheinbar blinder Fußgänger, eine viel befahrene Kreuzung zu überqueren. Zentrale Erkenntnis: Die Leute verhielten sich umso weniger hilfsbereit, je dichter eine Stadt besiedelt war. New York belegte den letzten Platz im Freundlichkeitsranking.

Für Vorfahren war Freundlichkeit ein Überlebensvorteil

Die Freundlichkeit eines Menschen lässt sich aber auch an seinem Fahrzeug ablesen, wie der US-Psychologe Paul Piff von der University of California feststellte. Für sein Feldexperiment ließ er stets einen Fußgänger auf einen Zebrastreifen zulaufen, wenn sich gleichzeitig ein Auto näherte. Die billigsten Autos ließen die Fußgänger passieren, berichtete Piff. Doch je teurer die Karosse, desto häufiger kam es vor, dass sie, ohne anzuhalten über den Zebrastreifen fuhren.

Eine mögliche Interpretation: Die Wohlhabenden glaubten womöglich, sie könnten sich so ein Verhalten leisten. „Freundlich zu sein, lohnt sich für alle“, erklärt der promovierte Psychologe Dennis Dal Mas von TÜV NORD. Aber für die weniger Wohlhabenden könnte es noch wichtiger sein.

Für unsere Vorfahren war Freundlichkeit sogar ein Überlebensvorteil, wenn man dem Anthropologen Brian Hare von der Duke University in den USA glauben darf. Er spricht von „Survival of the Friendliest“, dem „Überleben der Freundlichsten“, in Anspielung auf Charles Darwins Evolutionsprinzip „Survival of the Fittest". Hare zufolge sind Menschen mehr aufeinander angewiesen und verhalten sich deshalb auch ohne Anlass freundlicher zueinander, als es Schimpansen tun. Der US-Kognitionsforscher David Rand bestätigte anhand von zahlreichen Experimenten: „Wir neigen intuitiv zu Kooperation.“

Freundlichkeit ist gut für die Gesundheit

Das zeigt sich auch in der Art und Weise, wie Menschen einander spontan beurteilen. Die Urteile lassen sich auf zwei zentrale Dimensionen zurückführen: Die eine umfasst Freundlichkeit und Kooperation (in der englischen Fachsprache „communion“), die andere Selbstsicherheit und Durchsetzungskraft („agency“). Doch mit freundlich-kooperativem Verhalten gewinne man mehr Sympathien, stellten deutsche Psychologen 2023 fest. Michael Dufner von der Universität Leipzig und Sascha Krause von der Universität Witten-Herdecke hatten Versuchspersonen in Gesprächen mit Fremden beobachtet. Um einen guten Eindruck beim Gegenüber zu hinterlassen, erwies sich Freundlichkeit als doppelt so wichtig wie Selbstsicherheit.

Kein Wunder, denn freundlich behandelt zu werden, ist gut für die Gesundheit. Die Forschung spricht vom „Kanincheneffekt“, weil die positive Wirkung in den 1970er Jahren bei Experimenten mit Kaninchen entdeckt wurde. Diese waren genetisch identisch und hatten alle dieselbe fettreiche Nahrung bekommen, und doch blieben einige von ihnen gesünder. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass eine Betreuerin ihre Schützlinge liebevoller behandelt hatte, und genau diesen Tieren ging es im Mittel besser als den übrigen.

Freundlich zu sein, macht aber auch die Freundlichen selbst froh. In einer Studie der University of Oxford waren Menschen zufriedener, wenn sie eine Woche lang mindestens einmal am Tag etwas Gutes für ihre Mitmenschen getan hatten. Überdies wirkt Freundlichkeit ansteckend. In einem spanischen Unternehmen wurden per Zufall ausgewählte Angestellte gebeten, vier Wochen lang anderen Mitarbeitenden etwas Gutes zu tun. Daraufhin waren nicht nur beide Seiten glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben, sondern die Beglückten verhielten sich nun ebenfalls freundlicher.

Freundlichkeit animiert auch andere zu guten Gesten

Dennoch wird der Effekt der Freundlichkeit systematisch unterschätzt. In einer Reihe von Experimenten haben die US-Psychologen Amit Kumar und Nicholas Epley rund 1000 Versuchspersonen dazu veranlasst, anderen unerwartet etwas Gutes zu tun, zum Beispiel nette Nachrichten an Freunde oder Verwandte zu schicken oder Fremden an einem kalten Wintertag im Park eine heiße Schokolade zu schenken. Die Beglückten freuten sich darüber mehr, als die Versuchspersonen dachten: Sie hielten ihre Geste für relativ unbedeutend.

„Gute Taten hinterlassen Spuren“, sagt Dennis Dal Mas von TÜV NORD. Deshalb rät der Psychologe, jede Möglichkeit dazu zu nutzen, ob privat, am Arbeitsplatz oder im Straßenverkehr. „Jede freundliche Geste macht das Leben für alle ein wenig schöner.“

 

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