Warum sind wir im Frühjahr oft besonders müde?

21. März 2023 | Mobilität: Die Tage werden länger, endlich kommt der Frühling. Doch ausgerechnet jetzt fühlen sich manche Menschen besonders schlapp: Sie leiden unter Frühjahrsmüdigkeit.

In unseren Breitengraden treten die Beschwerden meist zwischen Mitte März und Mitte April auf. Müdigkeit, Erschöpfung, Kreislaufprobleme, Schlafstörungen: So beschreibt Ralf Buchstaller vom Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV NORD in Hamburg die typische Frühjahrsmüdigkeit. Manchmal kommen auch noch psychische Symptome zu den körperlichen hinzu. Die Betroffenen sind zum Beispiel lustlos oder unkonzentriert, reizbar oder niedergeschlagen. Der promovierte Psychologe Ralf Buchstaller hält es für keinen Zufall, dass der Mensch gerade dann schlappmacht, wenn die Temperaturen steigen. „Dafür gibt es mehrere Erklärungen.“

Rund ein Viertel der Bevölkerung sei betroffen, berichtete Werner Cassel vom Schlafmedizinischen Zentrum der Universität Marburg 2018. Eine der möglichen Ursachen: Der Körper gehe in den kalten Monaten in den Wintermodus, verlange mehr nach fettreicher Nahrung und weniger nach frischem Obst und Gemüse. Deshalb könne es im Winter an wichtigen Nährstoffen wie B-Vitaminen, Eisen, Magnesium, Zink und Vitamin C mangeln. Diese Vitamine und Spurenelemente brauche der Organismus aber für den Energiehaushalt und Sauerstofftransport, für die Muskelaktivität und Hirnfunktionen.

Außerdem leiden in der nördlichen Hemisphäre sehr viele Menschen im Winter unter einem Mangel an Vitamin D. Das liegt daran, dass zu wenig Sonnenlicht auf die Haut fällt, denn nur dann kann der Körper das Vitamin selbst bilden. Mit Vitamin-D3-Präparaten ist der Mangel zwar leicht zu beheben, aber es dauert mehrere Wochen, bis sich der Speicher wieder auffüllt. Eine Studie zeigte: Wenn gesunde Menschen mit niedrigem Vitamin-D-Spiegel eine hohe Dosis Vitamin D bekamen, waren sie vier Wochen später weniger müde als eine Kontrollgruppe mit Placebo-Behandlung.

Für die Frühjahrsmüdigkeit haben Fachleute aber noch eine andere Erklärung: Der Körper brauche nach dem Winter eine Weile, sich wieder auf die steigenden Temperaturen und das vermehrte Licht einzustellen. Zum einen ziehen sich die Blutgefäße bei Kälte zusammen, der Blutdruck steigt – und bei steigenden Temperaturen weiten sie sich wieder, der Blutdruck sinkt. Das schlägt vielen auf den Kreislauf, macht müde und schlapp. Ein Gefäßtraining zum Beispiel mit Wechselduschen kann dem vorbeugen.

Zum anderen müsse sich der Hormonhaushalt wieder einpendeln. Weil wir im Winter weniger Tageslicht bekommen, steigt der Spiegel des »Schlafhormons« Melatonin, und gleichzeitig sinkt der Spiegel des »Glückshormons« Serotonin. Werden die Tage im Frühjahr länger, steigt der Serotoninspiegel wieder und der Melatoninspiegel sinkt. Das bringe den Körper durcheinander, erklärt der Psychologe Werner Cassel. Es könne bis zu einem Monat dauern, bis der Organismus sein Gleichgewicht wiedergefunden habe.

Nicht zuletzt kommt Ende März auch noch die Umstellung der Uhren auf Sommerzeit hinzu. Eine Stunde früher aufstehen: Das ist besonders für den Schlaf-wach-Rhythmus von Nachteulen ein Problem. Die meisten Menschen hätten das aber nach etwa zwei Wochen überwunden, so Cassel. Und die klassische Frühjahrsmüdigkeit sollte ebenso nach zwei bis vier Wochen wieder verfliegen.

Wenn die Müdigkeit länger anhält, sollte man allerdings einen Arzt aufsuchen – besonders, wenn die Erschöpfung mit einem Stimmungstief verbunden ist. Denn dann könnte es sich auch um eine Depression handeln, warnt Ralf Buchstaller von TÜV NORD. Auch zu deren typischen Merkmalen zählen Erschöpfung und Energiemangel, Schlafstörungen und Niedergeschlagenheit.

Wenn die depressiven Symptome stets im Frühjahr wiederkehren, spricht man von einer umgekehrten, „atypischen“ Winterdepression. Bei den Betroffenen ist die Stimmung regelmäßig nicht im Herbst oder Winter gedrückt, sondern im Frühling. Das kann mit psychischen Auslösern oder mit den beschriebenen Veränderungen im Körper zusammenhängen, aber auch mit Pollenallergien. „Sie gehen mit Depressionen oft Hand in Hand“, sagt der Psychologe. Denn bei einer Allergie sei das Immunsystem ständig im Alarmzustand. Das koste Energie, und das ständige Jucken und Niesen störe den Schlaf und das Wohlbefinden.

Ralf Buchstaller empfiehlt deshalb, spätestens dann nach den Ursachen der Frühjahrsmüdigkeit zu suchen, wenn die Psyche mitleidet. Als Soforthilfe rät er zu Bewegung im Freien – sofern keine schwere Allergie dagegenspreche. „Am besten ist ein Spaziergang am Morgen. Dann macht das Tageslicht fit für den Tag und müde für die Nacht.“

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