Was technikaffine Menschen ausmacht

Technikaffine Menschen zählen oft zu den ersten, die eine neue Technologie ausprobieren. Andere stehen dem technischen Fortschritt skeptisch gegenüber. Der promovierte Psychologe Philip Frieg von TÜV NORD erklärt, was dahintersteckt.

Ob VR-Brille, Hobby-Drohne oder E-Auto: Wann immer eine technische Innovation auf den Markt kommt, gibt es Menschen, die sich sofort dafür interessieren. In der Regel sind die Produkte zunächst sehr teuer; für die Anschaffung braucht es also die nötigen finanziellen Mittel. „Aber nicht jeder, der es sich leisten könnte, hat einen Tesla in der Garage“, sagt Philip Frieg vom Medizinisch-Psychologischen Institut von TÜV NORD in Dortmund. Einer der treibenden Faktoren für die Anschaffung: das Interesse an neuen Technologien.

Zu diesem Ergebnis kam vergangenes Jahr auch eine Studie in der Schweiz. Die Forschungsgruppe von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hatte mehr als 5000 Autobesitzerinnen und -besitzer in vier deutschsprachigen Kantonen um Auskunft gebeten. Wer privat ein E-Auto fuhr, unterschied sich von den übrigen Befragten vor allem durch eine Vorliebe für neue Technologien.

Diese „early adopters“ – die frühen Anwenderinnen und Anwender – gibt es bei jedem technologischen Umbruch. Laut einer Umfrage des Pew Research Center 2014 zählen sich in den USA 15 Prozent der Erwachsenen dazu: Sie gehören nach eigenen Angaben meist zu den ersten, die eine neue Technologie ausprobieren. Wie das Meinungsforschungsinstitut weiter feststellte, fühlt sich jedoch mehr als die Hälfte der Befragten eher mit vertrauten Marken und Produkten wohl. Und gut jeder vierte Erwachsene bevorzugt ganz eindeutig die altbekannten Produkte.

Neue Technologien machen den Menschen Angst, weil das Unbekannte weniger kontrollierbar erscheine, erklärt Amy Orben von der University of Cambridge. Die britische Psychologin spricht von einem „Sisyphos-Zyklus der Technikangst“: Immer wieder tauche eine neue Technologie auf – und die ältere Technologie, die einst Angst machte, verliere daraufhin ihren Schrecken. So habe eine Kinderärztin 1941 vor dem Suchtpotenzial von Radio- und Fernsehkrimis gewarnt, und später fürchteten Eltern, dass ihre Kinder zu viele Comics lesen würden. Heute mutet das absonderlich an. Die Sorgen von heute: dass Smartphones und soziale Medien dumm, süchtig oder depressiv machen.

„Das Alte fühlt sich vertraut und sicher an, während das Unbekannte gefährlich sein könnte“, erklärt der Psychologe Philip Frieg. „Deswegen begegnen viele Menschen den neuen Technologien mit Skepsis und Misstrauen.“ Dazu kommt, dass es Zeit, Energie und manchmal auch Nerven kostet, sich mit einer neuen Technik vertraut zu machen. Was den technologischen Wandel erleichtern kann: wenn das Neue erkennbar praktisch ist und unkompliziert im Gebrauch. Beides trägt dazu bei, dass wir eine neue Technologie schnell akzeptieren.

Das gilt auch für die „early adopters“ in Unternehmen. Eine Umfrage des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe zeigte: Entscheidend für die Anschaffung der ersten kommerziellen E-Auto-Flotten in Deutschland war neben Umweltvorteilen vor allem, wie einfach sie zu nutzen waren.

Aber genügt das, um die Ängste vor neuen Technologien zu überwinden? „Die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen“, sagt Philip Frieg von TÜV NORD. Um das Unbehagen zu mindern, empfiehlt er, sich an die Warnungen vor dem Radio zu erinnern: Was heute suspekt erscheint, ist womöglich bald aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. „Ein Fremder ist ein Freund, den man noch nicht kennt« – dieser Spruch beziehe sich zwar auf Menschen, sagt der Psychologe. Doch er könnte auch auf so manches neue Gerät zutreffen.

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