Zehn Gesten, die im Ausland missverstanden werden

Eigentlich haben Sie nur freundlich gewunken, doch die Einheimischen mustern Sie grimmig?

Eigentlich haben Sie nur freundlich gewunken, doch die Einheimischen mustern Sie grimmig? Wie schnell man mit einer Geste im Ausland ins Fettnäpfchen treten kann, haben schon prominente Staatsoberhäupter unterschätzt. TÜV NORD präsentiert den ‚Gesten-Knigge‘.

Das Gestikulieren ist uns in die Wiege gelegt. Auch von Geburt an blinde Menschen gebrauchen beim Sprechen ihre Arme und Hände. Obwohl sie nie ein Modell dafür vor Augen hatten, gestikulieren sie in gleicher Weise wie Menschen mit gesundem Sehvermögen. Viele Sprachforscher glauben sogar, dass unsere gesprochene Sprache in der Gestik ihre Wurzeln hat.

Neben dem angeborenen Gestikulieren gibt es auch ritualisierte Gesten, die wir uns von anderen Menschen abgucken. Sie können sich von Kultur zu Kultur unterscheiden. Unter Menschenaffen ist das nicht anders! Das stellte der bekannte Verhaltensforscher Frans de Waal fest, als er unsere nächsten Verwandten studierte. Er beobachtete, dass Bonobos und Schimpansen sich zwar in ihrer Mimik ähnelten, aber nicht in ihrer Gestik. Das Repertoire unterschied sich bei den Bonobos sogar von Gruppe zu Gruppe.

Der Spezies Mensch ergeht es ebenso: In fremden Kulturen haben die uns vertrauten Gesten oft eine andere Bedeutung. Sich im Ausland mit Händen und Füßen verständigen zu wollen, birgt deshalb Risiken. Mit einer gut gemeinten Geste könnten wir Einheimische beleidigen und uns in unerfreuliche Situationen hineinmanövrieren. Vor einigen dieser Fettnäpfchen warnt der folgende TÜV NORD Gesten-Knigge.

(1) Victory
Das "V"-Zeichen steht in Deutschland für "Victory", seitdem der britische Premier Winston Churchill die Siegesgeste nach dem zweiten Weltkrieg bekannt machte. In alternativen Kreisen bedeutet es aber auch "Peace" (Frieden). Und in Kneipen und Biergärten gebraucht man die beiden Finger außerdem des Öfteren, um zwei Bier nachzubestellen.

Im Straßenverkehr sieht man das V-Zeichen entsprechend selten. Sollte es Ihnen jedoch in Großbritannien, Irland, Neuseeland oder Australien begegnen, zum Beispiel, wenn Sie jemandem den Parkplatz vor der Nase wegschnappen, so will der Fahrer weder Frieden schließen noch zwei Bier mit Ihnen trinken. Vielmehr schleudert er Ihnen ein deftiges "f*** you!" entgegen. Entscheidendes Erkennungsmerkmal: Nicht die Handfläche, sondern der Handrücken zeigt zum Gegenüber.

Der ehemalige US-Präsident George W. Bush wusste das offenbar nicht, als er bei einem Australienbesuch das Peace-Zeichen verkehrt herum verwendete. Mit dem Lapsus steht er in guter Tradition: Auch die einstige britische Premierministerin Maggie Thatcher zeigte das "V" einmal versehentlich mit Handrücken in Richtung Publikum.

(2) Vieldeutiger Kreis
Wenn Daumen und Zeigefinger einen Kreis bilden, kann das ein halbes Wörterbuch bedeuten. In den USA heißt es: "Ok, prima!" In Deutschland meint es "spitze" oder "1a". Franzosen und Belgier bezeichnen auf diese Weise eine Sache oder eine Person als wertlos. Japaner spielen damit wiederum auf Geld an.

In ein paar Ländern wie Thailand und Brasilien verbindet man mit dem Kreissymbol etwas Obszönes. In Mexiko kann man so zu sexuellen Aktivitäten einladen. Und wenn Sie in Russland oder einigen Mittelmeerländern damit konfrontiert werden, hält Ihr Gegenüber Sie vermutlich weder für wertlos noch für gut betucht, sondern unterstellt Ihnen eine Vorliebe für das eigene Geschlecht.

(3) Daumen hoch!
Alles paletti. Gut gemacht! Das denken sich bei diesem Anblick die meisten Europäer. Aber in einigen Ländern, darunter Russland, Griechenland und Australien, handelt es sich um eine obszöne, rüde Geste.

Im deutschsprachigen Raum kann man mit dem hochgereckten Daumen darüber hinaus trampen oder auch genau ein Stück (von irgendetwas) bestellen. Vorsicht: In Japan kauft man mit derselben Geste gleich fünf Stück.

Und wo wir schon dabei sind: Wer mit Daumen und Zeigefinger nach unserem Verständnis eine 2 anzeigt, bezeichnet in den Augen von Chinesen die Zahl 8. Das liegt daran, dass sie mit den Fingern die Schriftzeichen für Zahlen nachbilden. Wer sich damit nicht auskennt, sollte beim Einkaufsbummel in China besser nicht mit den Händen verhandeln.

(4) Die Wackelhand
Diese Geste ist uns so vertraut wie der Wackeldackel im Auto. Zwar ist sie nicht im deutschen Sprachraum zu Hause, doch unter den italienischen und türkischen Mitbürgern ist sie sehr verbreitet. Türken drücken damit ihr Wohlgefallen aus: tolle Sache! In Italien hingegen fragt man auf diese Weise: "Was soll das? Was willst du?"

In Ägypten wiederum bittet man so um etwas Geduld. Und werden die Finger in dieser Position geöffnet und geschlossen, besteht eine weitere Verwechslungsgefahr. "Hast du Angst?" würde man unter anderem in Mexiko mit dieser Geste fragen – eine Unterstellung, die je nach Situation unangenehme Gegenbeweise provozieren kann.

(5) Zwei Hörner für alle Fälle
Ursprünglich besagte der Aberglaube in Italien, die Hörner könnten Unglück fernhalten. Um auf diese ursprüngliche Bedeutung zu verweisen, dreht man die Hörner inzwischen Richtung Boden. Denn mit gen Himmel zeigenden Hörnern ist in Italien und einigen anderen Mittelmeerländern sowie Südamerika häufig etwas anderes gemeint: "Du bist gehörnt!" Soll heißen: Deine Frau betrügt dich.

Damit nicht genug. Heavy-Metal-Fans huldigen mit dieser Geste Satan, und ganz allgemein feiern Rockfans so ihre Musik. Jenna Bush, Tochter von Ex-Präsident George W. Bush, wollte auf einer Skandinavienreise ihre Heimatuniversität grüßen, deren Sportler sich "Texas Longhorns" nennen. Das skandinavische Publikum kannte sich mit Heavy Metal-Symbolen besser aus als mit dem US-Hochschulsport und wunderten sich sehr über die Hörner der Präsidententochter.

(6) Die Nase zwischen den Fingern
Auch wenn Sie sich mit Kindern gerne ein Späßchen erlauben: Diese Geste streichen Sie im Ausland besser aus Ihrem Repertoire. Zwar kennen Deutsche, US-Amerikaner, Briten, Spanier und Franzosen sie mehrheitlich als harmloses Spiel mit Kindern - man greife nach einer Nase und halte sie dann vermeintlich zwischen den Fingern.

Der Daumen, der dort hervorlugt, weist allerdings im osteuropäischen Raum lästige Bittsteller ab. Und jeglichen unschuldigen Charme verliert die Geste in Italien, Griechenland, Türkei oder der Niederlande, denn dort spielt man so auf weibliche Geschlechtsteile an. Wem auch immer der Scherz gelten würde: In manchen Ländern sollte man besser die Finger von der Nase lassen!

(7) Der Vogel im Oberstübchen
Vorsicht: Wer anderen den Vogel zeigt, wird vielerorts ausgezeichnet verstanden. Das Universalsymbol für Verrückte gibt es in zahlreichen Varianten: In manchen Ländern tippt man sich mit dem Finger an die Schläfen, in anderen dreht man Finger oder Hand am Kopf.

Allerdings deutet ein Finger am Kopf zuweilen auch an, dass jemand besonders klug ist. Und lässt ein Motorradfahrer in den USA den Finger in Kopfhöhe zirkulieren, so will er damit nicht etwa andere Verkehrsteilnehmer des Irrsinns bezichtigen. Vielmehr handelt es sich um einen Warnhinweis: Polizei in der Nähe!

(8) Der Lockruf
Jemanden herbeizuwinken kann im Ausland eine hochdelikate Angelegenheit sein. In den USA und anderen westlichen Ländern wie Deutschland locken wir manchmal spielerisch jemanden mit einem Finger zu uns. In Teilen Asiens und Ozeaniens wird das als unverschämt empfunden – so etwas tut man nur gegenüber Hunden oder anderen niederrangigen Kreaturen. Auch das Zeigen mit einem Finger kann unhöflich wirken. Im Notfall mit der ganzen Hand deuten, und im Zweifelsfall lieber nicht in Richtung eines Menschen!

Umgekehrt sollten Sie es einem Japaner nicht übelnehmen, falls er Sie anscheinend ganz unvermittelt verabschiedet. Winkt er Ihnen, indem er die Hand mehrfach nach vorne abknickt, will er Sie keineswegs loswerden, sondern im Gegenteil: herbeiwinken.

(9) Moutza
Die Finger sind gespreizt, die Hand bewegt sich vom Körper weg zum Adressaten: Wer von einem Griechen mit dieser Geste bedacht wird, hat es sich gründlich mit ihm verscherzt. Sie drückt tiefste Verachtung aus; schlimmer ist nur dieselbe Geste mit beiden Händen. Auch in Pakistan, Armenien und Teilen Westafrikas trifft man auf diese Form der Ächtung, und in Mexiko sowie Teilen Mittelamerikas gilt sie als Drohung.

Weniger dramatisch, aber ebenfalls unhöflich ist die vom Körper wegweisende Hand in den USA. "Halt den Mund!" (denn du sprichst nur mit meiner Hand), will der Amerikaner damit sagen. Hier zu Lande machen wir diese Geste in der Regel beidhändig, um jemanden zu erschrecken: Wir springen aus einem Versteck hervor und rufen dabei laut "buh!" Im Urlaub kommt das sicherlich nicht so häufig vor. Aber schon bei ähnlichen Gesten ist Vorsicht geboten, etwa wenn wir die Hand oder Hände auf und ab bewegen, um jemanden zu beruhigen. Das kann nach hinten losgehen!

(10) Der Gruß
Möchten Sie Ihrem Gastgeber zum Abschied winken? In den USA, Deutschland und den meisten europäischen Ländern kein Problem. Aber wenn Sie einander direkt gegenüberstehen, ist das in Südostasien und der Türkei eine Beleidigung. Noch dazu kann das Winken an Moutza erinnern (siehe oben). Auch wenn Sie den Arm zum Dank heben oder auf diese Weise jemanden stoppen wollen: Der Teufel steckt im Detail. Wenn schon, dann bitte den Arm vertikal nach oben! Denn nicht nur eine Verwechslung mit Moutza droht. Auch im Ausland erkennt man heute noch den Hitlergruß.

Ganz andere Probleme kann man sich auf Safari in Afrika einhandeln, wenn man einer Horde Menschenaffen begegnet. Von Winken wird abgeraten, denn auch Schimpansen und Bonobos haben ein Repertoire an Gesten und deuten menschliches Verhalten womöglich anders als erwartet. Heben Bonobos beispielsweise beide Arme, kündigen sie einem Weibchen sexuelle Avancen an. Nachahmung nicht empfohlen!

Fazit
Wie umschifft man am besten mögliche Fettnäpfchen? Zunächst einmal sollte man sich alle bekannten Obszönitäten verkneifen: Der gestreckte Mittelfinger etwa ist rund um den Globus verbreitet. Auch der geknickte Arm mit geballter Faust lässt vielerorts keine Fragen offen. Allerdings gibt es noch viele landestypische Varianten. Besonders reich an obszönen Gesten seien lateinamerikanische Länder, beobachtete der 2016 verstorbene kalifornische Psychologe und Gestenforscher Dane Archer in Feldstudien. In Skandinavien und der Schweiz hingegen treffe man auf weniger Varianten.

Schwierig wird es, wenn uns Gesten in Fleisch und Blut übergegangen sind. Nicken zum Beispiel: Uns dient es als Zeichen der Zustimmung und des Verstehens oder schlicht als nonverbaler Gruß. Aber zieht man den Kopf nur einmal nach oben und wieder nach unten, heißt das in Teilen Südosteuropas "nein". In Indien wiederum kann Kopfschütteln Zustimmung, Verstehen und Respekt ausdrücken. Dabei wackelt der Kopf in einem kleinen Bogen über den Schultern hin und her. Mit einem einmaligen Nicken wiederum ruft man jemanden herbei.

Die Bedeutung solcher Gesten bewerten wir automatisch in Sekundenbruchteilen, wie deutsche Forscher feststellten. Sie erfassten die Hirnaktivität von Versuchspersonen, während sie ihnen abwechselnd den gehobenen Daumen oder den Stinkefinger vorführten. Schon nach 150 Millisekunden hatte das Gehirn die emotionale Bedeutung entschlüsselt! Da bleibt nur noch, Missverständnisse nachträglich aufzuklären. Wer unfallfrei durch fremde Lande manövrieren möchte, verzichtet also besser auf Gesten. Im Auto dürfte das nicht schwerfallen: einfach Hände am Steuer behalten!

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